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„Der Infraschall ist überall“

Leserbriefe: RZ Altenkirchen Sa 06. Juni 2020  Seite 28

„Der Infraschall ist überall“

Der Finanzier, der die Drittmittel für die Studie der Unimedizin Mainz über Infraschall finanziert hat, muss über eine recht große Schatulle verfügen. Wie sonst sollte man erklären, dass die Verfasser der Studie an die Grenze dessen gehen, was sie schreiben können, ohne ihren guten Ruf als Wissenschaftler zu verlieren? Denn sie belegen mit ihrer Studie nur etwas, was unbestritten ist: Bei entsprechend hoher Dosis kann Infraschall gesundheitsschädlich sein. Nur kann diese gesundheitsschädliche Dosis durch den Infraschall von Windkraftanlagen nicht erreicht werden, solange man nicht sein Zelt in der Gondel einer Windmühle aufschlägt. Hier versucht die Studie, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken, was ich als wenig seriös empfinde.

Wer von seinen Sinnen Gebrauch macht, weiß, dass Fluglärm das Rauschen einer Windkraftanlage bei Weitem übersteigt. Man braucht gar nicht zu wissen, dass ein Düsentriebwerk mit 140 dB(A) den etwa zwölffachen Schallleistungspegel einer Windkraftanlage von 100 bis 105 dB(A) hat, um zu erkennen, dass die Studie mit zweierlei Maß misst: Der Schalldruck der Flugzeuge, den sie mit 60 bis 70 dB(A) angibt, misst sie dort, wo er ankommt, also mit einem Abstand von einigen Tausend Metern. Die Schallleistung der Windkraftanlage misst sie an der Quelle. Bei einem Abstand von 200 Metern hat die Infraschalldosis einer Windkraftanlage aber nur den Wert, der bei einem Gespräch in Zimmerlautstärke entsteht.

Infraschall ist überall. Er kommt in der Natur vor, zum Beispiel durch den Wind, oder im Haushalt durch Waschmaschinen oder Pumpen. Auch jedes Auto verursacht Infraschall. Die Dosis des Infraschalls, der der Nutzer eines Kraftfahrzeugs ausgesetzt ist, übersteigt mit 100 dB bei Weitem die Dosis, der ein Anwohner durch den Infraschall einer Windkraftanlage ausgesetzt werden kann. Die bisher einhellige wissenschaftliche Erkenntnis, dass der Infraschall von Windkraftanlagen nicht gesundheitsschädlich ist, kann durch eine so aufgezogene Studie nicht in Zweifel gezogen werden.

Friedrich Hagemann,

Birken-Honigessen

„Messtechnisch keine Relevanz“

Vor fünf bis acht Jahren war das Thema Infraschall der große Hype. Da suchten die Gegner von erneuerbaren Energien einen Grund, mögliche neue Windkraftstandorte zu verhindern. Wenn der Rotmilan nicht genügte, wurde der Infraschall aus dem Hut gezaubert. Politiker forderten ein Moratorium, bis Studien das Thema genauer beleuchtet haben. Selbst die Studien der eher windkraftkritischen Landesregierungen in Bayern und Baden-Württemberg haben den Vorwurf ausräumen können. Infraschall ist messbare Physik und keine Glaubenssache. Wenn im Abstand von 250 Metern zur Windkraftanlage keine messtechnische Relevanz und bei 700 Meter Abstand kein Unterschied mehr zwischen den Betriebszuständen (An/Aus) erfassbar ist, sollte man irgendwann Ruhe geben. Andere Quellen (Bachlauf, Rauschen von Bäumen im Wind, Auto- und Luftverkehr …) überlagern den Infraschall der Windkraftanlage sehr schnell. Die Wissenschaftler aus Mainz sollten mal während der Fahrt zur Arbeit den Infraschall messen.

Die Empfehlung müsste dann bei gleicher Argumentation lauten: „Halten Sie Abstand zu Ihrem Auto, denn der Aufenthalt in der Nähe könne gefährlich werden.“ Wissenschaft, Verbraucher und Presse sollten sich den wirklich wichtigen Themen für die Lebensgrundlagen kommender Generationen und der Gesundheit zuwenden. Klimaschutz und Ressourceneffizienz sind Megathemen, denen man sich widmen sollte. Hier wird leider getan, als ob wir noch ohne Ende Zeit hätten. Das gemeinsame Haus brennt, und die Feuerwehr wird bei der Arbeit behindert!

Markus Mann, Langenbach

 

Der Artikel auf den die Leserbriefe Bezug nehmen:

Montag, 11. Mai 2020, Rhein-Zeitung Kreis Altenkirchen

Wie gefährlich ist der „stille Lärm“? Eine Studie der Mainzer Unimedizin zum Thema Windkraft liefert erstaunliche Ergebnisse

Von unserer Mitarbeiterin Gisela Kirschstein

Eine Studie der Mainzer Unimedizin zum Thema Windkraft liefert erstaunliche Ergebnisse

Mainz. Sind die Emissionen von Windrädern doch gefährlicher als bislang gedacht? Zumindest warnt eine neue Studie der Mainzer Universitätsmedizin: Der von Windkraftanlagen ausgehende Infraschall kann die Herzleistung des Menschen deutlich schädigen. Bereits nach einer Stunde Einwirkungsdauer führte der stille Lärm zu einer Einschränkung der Herzleistung von bis zu 20 Prozent, ergab die Studie, die nun im renommierten Fachmagazin „Noise & Health“ („Lärm und Gesundheit“) erschienen ist.

Ein Grummeln im Bauch

Als Infraschall bezeichnet die Wissenschaft tiefe Tongeräusche unter 20 Hertz. Der Mensch nimmt diese meist als tiefe Brummtöne wahr – wenn überhaupt. „Nur 30 Prozent der Menschen sind überhaupt in der Lage, Infraschall zu hören“, sagt Christian-Friedrich Vahl, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Mainzer Universitätsmedizin. Die meisten Menschen nehmen die tiefen Schallfrequenzen eher als Grummeln im Bauch wahr, am bekanntesten sind die tiefen Basstöne von den Tonanlagen auf großen Rockkonzerten.

Infraschall wird aber auch von großen Gasturbinen, Kompressoren oder Pumpen und sogar von Heizungs- und Klimaanlagen abgegeben, in der Natur sind Erdbeben, Vulkanausbrüche, Gewitter oder auch Meeresrauschen Quellen von Infraschall. „Infraschall ist eine messbare physikalische Kraft, die im Körper etwas auslöst“, erklärt Vahl im Gespräch mit unserer Zeitung: „Elefanten unterhalten sich mit Infraschall, auch Delfine über große Entfernungen.“

Beim Menschen reagierten Vibrationssensoren in der Haut auf die tiefen Schallwellen und lösten ein unterschwelliges Alarmsignal aus. „Das ist eigentlich ein Katastrophenzeichen“, erklärt Vahl. Es habe Menschen in Vorzeiten geholfen, vor Unwettern oder Vulkanausbrüchen zu fliehen. Ist der Mensch den tiefen Schallwellen aber längere Zeit in hoher Intensität ausgesetzt, kann das offenbar schwerwiegende Folgen haben: „Infraschall entfacht eindeutige messbare physikalische Wirkung am Herzen – und zwar ohne dass man ihn hören kann.“

Vor dreieinhalb Jahren gründete der Herzchirurg Vahl eine Arbeitsgruppe an der Mainzer Universitätsmedizin. Der Auslöser: Berichte von Anwohnern in der Nähe von Windrädern über schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Sie klagten über Schlaflosigkeit, Leistungsschwäche, Konzentrationsstörungen und Abgeschlagenheit, berichtet Vahl – der Kardiologe wollte es genauer wissen. Seine Arbeitsgruppe nahm Material von Herzoperationen ihrer Patienten und gewann daraus zwei Muskelscheiben, die jeweils von demselben Patienten stammten. Die eine Probe wurde Infraschall ausgesetzt, die andere nicht. „Bei Proben, die eine Stunde lang Infraschall ausgesetzt waren, war eine deutlich verringerte Kraftentwicklung im Herzmuskel zu beobachten“, sagt Vahl. Die Herzleistung habe sich um mehr als 20 Prozent verringert – und das eben bereits nach nur einer Stunde.

Dass Windräder Infraschall erzeugen, ist bekannt. Anwohner klagen oft über einen tiefen Brummton. Der entstehe dadurch, dass die Flügel des Windrads beim Drehen Luft gegen den Mast drücken, erklärt Vahl. Es ergibt sich ein Schalldruckpegel von bis zu 100 Dezibel, schon bei einem einzigen Windrad – das sei lauter als Fluglärm, der meist zwischen 60 und 70 Dezibel liegt und als gravierende Störung wahrgenommen wird. Genau mit 100 Dezibel führte Vahls Arbeitsgruppe ihre Infraschallexperimente durch…….“

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